Bei der Kündigung erhält auch die Firma ein Zeugnis – was gerne unterschätzt wird …
«Frauen in Kaderpositionen» – dieses Thema wird in vielen Diskussionen erörtert. Selten jedoch geht es dabei um den Fokus «Kündigung» und «Kündigungskultur». Wenn in einer Firma ein Positionswechsel vorgenommen wird, macht sich kaum ein Unternehmen bewusst Gedanken darüber, dass und wie es auf die bleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirkt – der Wechsel an sich sowie die Art und Weise, wie er vorgenommen wird und wie darüber kommuniziert wird.
Ich gebe jungen Frauen oftmals den Tipp, dass sie sich bei einer Neuanstellung zuerst eine Bild über die Struktur/die Hierarchie des Unternehmens machen sollen. Denn neben guter inhaltlicher Arbeit gilt es vor allem auch zu erkennen, wer die Entscheidungsträger sind – nur so lässt sich, was unabdingbar ist, ein starkes und wertvolles Beziehungsnetz aufbauen.
Es ist unbestritten: Die Diversität der Teamzusammenstellung bringt ein Unternehmen weiter. Das realisieren je länger, je mehr auch die männlich geprägten Teams, und diese Offenheit und Bereitschaft zur Veränderung bekommen auch die Frauen positiv zu spüren. Und diese verstehen die ihnen gestellten Aufgabe durchaus als Herausforderung, um Einfluss nehmen zu können. Somit ist es auch kein Problem, wenn sie sehen, dass um die Akzeptanz der eigenen Meinungen gekämpft werden muss, dass man seine Sicht auch mal mit Ellenbogen vertreten muss. Ebenfalls kein Problem ist, ab und zu mit seinem Input zu unterliegen – das nächste Mal bringt man sich erneut wieder im Team ein.
Es gibt jedoch in den Unternehmen einen Aspekt, der gerne ignoriert wird. Mit ihrem Blick zu den Entscheidungsträgern gewinnen die Frauen auch einen Eindruck und bilden sich eine Meinung über die oberste Führungsebene, insbesondere was die Kommunikationskultur bei Führungswechsel oder Trennungen anbelangt.
Nachdem ich das Buch «Mit dem Fusstritt aus der Chefetage» von Gabriele Euchner gelesen hatte, in dem die niveaulose Kündigungskultur auf oberster Führungsebene beschrieben wird, wollte ich mir selbst ein Bild machen. Ich wollte wissen, wie sehr die Art und Weise des Kündigungsprozesses innerhalb eines Unternehmens von den Mitarbeitenden beobachtet wird und was es bei ihnen bewirkt.
Nach vielen Gesprächen, die ich diesbezüglich geführt habe, kann ich heute den Unternehmen gegenüber eine Empfehlung aussprechen: Wenn sie in Zukunft fähige, engagierte und motivierte Mitarbeiterinnen halten möchten, dann braucht es mehr als flexible Arbeitszeiten oder Home Offices. Es braucht eine ernsthafte Veränderung der Unternehmenskultur. Solange Führungskräfte als Spielbälle der obersten Strategen benutzt und nach Belieben ausgetauscht werden, weil die Top Manager wechselweise ihre eigenen Ziele durchzusetzen versuchen, solange werden diese Unternehmen nicht die Fachkräfte für sich gewinnen, die sie eigentlich brauchen: Fachkräfte, die nicht nur kompetent sind, sondern sich darüber hinaus mit der Firma identifizieren und nachhaltig zum Erfolg beitragen.
Der Fachkräftemangel der Zukunft wird sich genau hier bemerkbar machen: Expertinnen und Experten, fähige Führungspersonen werden gefragt sein. Sie werden die Wahl haben, und bei ihrem Entscheid für oder gegen eine Firma wird das Gehalt je länger, je weniger der ausschlaggebende Faktor sein.
Ich habe zu Beginn hauptsächlich Mitarbeiterin angesprochen. Doch auch diesbezüglich verändert sich die Gesellschaft. Es sind nicht nur die Frauen, die vom Arbeitgeber mehr als ein Leitbild erwarten (ein Leitbild, das oftmals vom Top Management nicht vorgelebt wird) und mehr als bloss materielle Anreize («Incentives»), um sie im Unternehmen zu halten. Immer mehr Männer bekennen sich dazu: Die Zeit, die wir mit unserer Arbeit verbringen macht einen grossen Anteil unseres Lebens aus und beeinflusst stark auch unser Privatleben.
Die starken Führungskräfte von morgen werden sich aus diesem Grund ganz bewusst jene Unternehmen aussuchen, die über eine Unternehmenskultur verfügen, hinter die sie sich ehrlich und vorbehaltlos stellen können. Dazu gehört auch die Kultur der Trennung.