Warum Bewerber U30 und Ü45 viel zu oft unterschätzt werden

• Zu jung – zu unerfahren

• Zu alt – zu teuer

• «Jung und erfahren» – Die nur scheinbar perfekte Mitte für die Wirtschaft

Scheuklappen beim Rekrutierungsprozess wirken sich negativ aus – für Stellensuchende, aber auch für die Wirtschaft

Natürlich wissen die heutigen Manager unserer Wirtschafts- und Führungselite, dass auch sie einmal als Nobodys begonnen haben. Sie wissen, wie wichtig Fehler sind, um zu lernen und die Zusammenhänge überhaupt erfassen zu können.

Auch die Personalverantwortlichen sind sich bewusst, dass in gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuerst investiert werden muss. Doch der ROI (return on investment) der Investition Zeit ist schwer zu messen, und unter dem Druck der Kostenreduktion werden Entscheidungen oftmals für den Moment und nicht für die Zukunft getroffen.

Aufgrund dieser Umstände haben zwei Gruppen von Arbeitnehmenden immer mehr Probleme bei der Stellensuche und/oder Neuorientierung. Einerseits die Berufseinsteigerinnen und -einsteiger, andererseits die Altersgruppe 45+. Sie lesen richtig: Ich schreibe bewusste nicht 50+, denn obwohl wir immer länger arbeiten, verschiebt sich der Altersgrenze beim Problem «Stellensuche» immer weiter nach unten.

Zu jung – zu unerfahren

Wer mit stellensuchenden BerufseinsteigerInnen spricht, staunt über die Argumente, die vorgebracht werden, weshalb sie für die ausgeschriebenen Stellen nicht geeignet sind. Grösstenteils wird die fehlende Erfahrung genannt – dies, obwohl bei der Stellenausschreibung eine Altersgruppe angesprochen wird, bei der es gar nicht möglich ist, dass die entsprechende Erfahrung, z.B. im Bereich Führung, gesammelt werden konnte.

Wenn BerufseinsteigerInnen Anstellungen erhalten, die als Ausgangspunkt für eine zukünftige Karriere gewertet werden können, dann geschieht das meistens über das Beziehungsnetz – was wiederum erfordert, dass dieses vorher aufgebaut werden konnte.

Das Anforderungsprofil insgesamt hat sich zum Berufsstart verändert. Die Ansprüche werden immer höher geschraubt, so dass viele junge Leute trotz guter Schulbildung keinen nahtlosen Übergang in Berufsleben schaffen. Welche Verschwendung an Potential das ist, muss ich nicht ausführlich erklären.

Zu alt – zu teuer

Die Zielgruppe 45+ ist in einer ähnlichen Situation, jedoch in einer noch schlechteren Ausgangslage. Alter wird oft gleichgesetzt mit «zu teuer» – wegen der steigenden Abgaben der Altersvorsorge durch den Arbeitgeber und auch wegen einer befürchteten verminderten Leistungsfähigkeit. Weil das Alter nicht verleugnet und auch nicht mit jugendlicher Ausstrahlung und dynamischem Auftreten überspielt werden kann, kommt bereits bei den Arbeitnehmenden 45+ Unsicherheit auf, insbesondere wenn der nächste Stellenwechsel notwendig oder ideal geplant werden möchte, um die nächsten 20 Jahre strategisch gut anzugehen.

Die scheinbar «perfekte Mitte»

Zurzeit buhlt die Wirtschaft um die für sie anscheinend perfekte Zielgruppe von Arbeitnehmenden: um die 30- bis 40-Jährigen. Sie sind noch jung, aber bereits erfahren. Dabei ignoriert die Wirtschaftswelt jedoch, dass genau diese Gruppe von Arbeitnehmenden sich heute in einem Wandel befindet. Die Zeit ist vorbei, dass Leute aus Solidarität zum Unternehmen jahrelang beim gleichen Arbeitgeber bleiben. Die Zeit ist vorbei, dass zugunsten einer Karriere die persönlichen Lebenskonzepte von Familie und Engagements zurückgestellt werden. Heute überdenken viele Frauen und Männer genau dieser Altersklasse ihre Situation, hinterfragen sich und ihre Lebensumstände und treffen immer öfters auch unkonventionelle Entscheidungen.

BerufseinsteigerInnen & 45+ – die Verbindung bringt den Erfolg Warum wird zu wenig erkannt, welch grosses Potential in der Verbindung der Generationen liegt? Warum fehlen die HR-Konzepte, die Berufseinsteigenden eine bessere Chance offerieren würden, wenn sie von erfahrenen Personen begleitet werden könnten?

Offenbar ist es so, dass wir uns leider von subjektiven Wahrnehmungen täuschen lassen, besonders wenn es um die Leistungsfähigkeit der Generationen geht. Die (wenigen) objektiven Messergebnisse tun ja anderes kund.

Ein reales Beispiel: Nach einer Testphase wurden zwei Teams eines Unternehmens mit einem interessanten Ergebnis konfrontiert. Beide Teams hatten die gleichen Aufgaben zu erledigen. Das eine Team war im Schnitt wesentlich jünger als das andere. Zuvor hatte sich das jüngere Team immer wieder darüber beklagt, dass das ältere Team weniger produktiv sei. Deshalb wurden einheitliche Kriterien zur Produktivitätsmessung aufgestellt, mit denen alle Invol¬vierten einverstanden waren. Bei der Auswertung der Messergebnisse hat sich – für die meisten sehr überraschend – gezeigt, dass beide Teams genau gleich produktiv waren. Die Jüngeren waren zwar schneller in gewissen Abläufen, machten dafür aber auch wesentlich mehr Fehler, für deren Korrektur sie wiederum Zeit aufwenden mussten. Zudem arbeiteten die Älteren nicht nur genauer, sondern auch konzentrierter, während die Jüngeren sich leichter ablenken liessen.

Ich wünsche mir, dass die Unternehmen erkennen, dass die angeblich perfekte Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen dem Unternehmen weder Innovation noch Stabilität bringt. Sie mag vieles zum momentanen Erfolg beitragen – dieser ist jedoch nur dann nachhaltig, wenn Innovation, gegenwärtige Aktion und langfristige Stabilität sich ergänzen. Im Moment grenzen sie sich leider zu oft gegenseitig aus