In den letzten Monaten ist mir vermehrt aufgefallen, dass eines der Probleme der stellensuchenden Manager die veränderten Anforderungsprofile bei den ausgeschriebenen Stellen sind.

Viele Führungskräfte haben sich ihre Position durch Leistung erarbeitet, oft unabhängig von Abschlüssen und Zertifikaten. In den aktuellen Stellenausschreibungen werden genau solche jedoch verlangt. Diese Ausbildungsbelege bilden die erste grosse Hürde für die Vorsondierung: Bereits hier entscheidet sich, wer überhaupt in die erweiterte Runde der möglichen Kandidatinnen und Kandidaten kommt.

Gleichzeitig können die meist jüngeren Personalverantwortlichen mit Bewerbungen, deren Profil nicht genau zur Ausschreibung passt, nicht umgehen. Es fehlt ihnen die Erfahrung, das tiefere Verständnis und letztendlich die situative Erkenntnis, was eine Person an Fähigkeiten mitbringt, die nicht mit einem Abschluss belegt werden können.

Dieses Problem ist den Personalabteilungen schon länger bewusst. Verschärft wird die Problematik aber noch durch einen weiteren Aspekt, der in der Schnittstelle zwischen HR und Linie angesiedelt ist.

Selbst wenn in einem Fachbereich wahrgenommen wird, dass sich die Anforderungen an die Stellenprofile verändern, so wird das nur selten mit den betroffenen Führungskräften im eigenen Unternehmen besprochen. Oft sind sich die Personalverantwortlichen sogar absolut bewusst, dass bei neuen strategischen Ausrichtungen die aktuellen Führungskräfte in Bezug auf ihre jetzige Position für die kommenden Jahre am falschen Platz sind.

Anstatt diesen Punkt vorausschauend zu thematisieren, um früh genug eine mögliche interne Veränderung in die Wege zu leiten, läuft im Unterbewusstsein bereits der Mechanismus der baldigen Kündigung für die betroffenen Personen ab. Viele Kandidaten erklären mir, sie hätten gespürt, dass etwas nicht mehr stimmte, aber sie hätten nicht erfassen können, was sich verändert hatte.

Natürlich ist es nicht einfach für die Personalverantwortlichen, jene Führungskräfte, die sich seit Jahren fürs Unternehmen engagieren und an deren Entwicklung sie mit verantwortlich sind, darauf anzusprechen, dass ihre Qualifikationen nicht mehr dem Anforderungsprofil ihrer aktuellen Position entsprechen. Lohnenswert wäre es aber für das Unternehmen allemal – in mehrfacher Hinsicht.

Ein frühzeitiges Gespräch und die rechtzeitige Entwicklung einer solchen Führungskraft erhöht die Chance,

  • firmeninternes Wissen und unternehmensspezifische Erfahrungen nicht zu verlieren.
  • Führungskräfte 50+ den verdienten Respekt spüren zu lassen, so dass sie sich weiterhin als Mehrwert generierende Mitarbeitende im Unternehmen sehen und damit ihr Elan nicht nachlässt.
  • Führungskräfte, die sich neu orientieren wollen (oder müssen), weiterhin für Projekte oder Mandate einbinden zu können.
  • bei den eigenen Mitarbeitenden als faires Unternehmen wahrgenommen zu werden, das im Falle eines Kündigungsprozesses einen rücksichtsvollen, sozialen Umgang pflegt.

Wenn ich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter früh genug realisiere, dass im Unternehmen Veränderungen anstehen, die mich betreffen könnten, habe ich genügend Zeit, mich auch darauf vorbereiten.

Man kann hier geteilter Meinung sein, was richtig ist: Soll die Zukunft von 50+-Mitarbeitenden im Unternehmen speziell thematisiert werden, oder soll man der Sache ihren Lauf lassen? Meines Erachtens ist die proaktive Thematisierung gesellschaftlich und wirtschaftlich in jedem Fall besser, als wenn man Führungskräfte in scheinbarer Sicherheit lässt, obwohl man im Hinterkopf genau weiss, dass in den nächsten 1-2 Jahren die Kündigung ausgesprochen wird:

• Gesellschaftlich, weil wir eine moralische Verpflichtung gegenüber jenen Personen haben, die uns den Wohlstand von heute ermöglich haben – sie haben einen respektvollen Umgang verdient.

• Wirtschaftlich, weil bedingt durch einen positiv vollzogenen Wechsel oder eine rücksichtsvolle Neupositionierungen mehr Wissen erhalten bleibt; und weil weniger krankheitsbedingte Kosten anfallen: Kosten, die aufgrund von Krankmeldungen entstehen, als physische oder psychische Folge einer Kündigung.

Deshalb geht mein Aufruf an die Unternehmen: Personalverantwortliche, sprecht Klartext mit den Mitarbeitenden 50+!

• Ja, es ist unbequem.

• Ja, es braucht Sensibilität gegenüber den Gesprächspartner/innen.

• Ja, es braucht interne Abklärungen für mögliche Neupositionierungen.

• Ja, es braucht die Rückendeckung der Geschäftsleitung.

• Ja, es braucht eine transparente Kommunikationskultur im Unternehmen, damit die Mitarbeitenden vorbereitet sind.

Die Wirtschaft realisiert je länger, je mehr: Nur auf den Elan der Jugend zu setzen, wie das in den letzten Jahren gemacht wurde, ist falsch. Wenn aber die Erkenntnis zurückkommt, dass langjährige Erfahrungswerte und daher entsprechende Persönlichkeiten weiterhin gebraucht werden, dann sollte auch das Bewusstsein wachsen: Erfahrene Führungs- und Fachleute schätzen es, wenn sie wissen, woran sie sind. Sie wollen Klartext!