Eine aktuelle Studie der Universität Lausanne zeigt wieder einmal, dass ältere Menschen es bei der Jobsuche nachweislich schwerer haben als jüngere. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass wir aus solchen Untersuchungen nicht die falschen Schlüsse ziehen. Denn wenn wir uns nur auf den Aspekt des Alters konzentrieren, übersehen wir andere, für die Jobsuche wichtige Faktoren – und entscheiden uns eventuell für Lösungen, die gar nicht zu unserem Problem passen.

  • Eine Studie zeigt: Die Jobchancen sinken mit steigendem Alter
  • Für Menschen 55+ nehmen die Einladungen zu Bewerbungsgesprächen massiv ab
  • Trotzdem sollten wir die Probleme nicht allein beim Alter suchen

Zunächst klingen die Ergebnisse dramatisch: Wer 55 Jahre oder älter ist, dessen Chancen auf eine Einladung zum Bewerbungsgespräch nehmen massiv ab. In manchen Branchen sogar so sehr, dass bereits eine Diskriminierung festgestellt wurde. Je älter die arbeitssuchende Person, desto geringer ist demnach die Chance, überhaupt wieder angestellt zu werden.

So dramatisch das klingt, möchte ich trotzdem am Beispiel dieser Studie zeigen, dass wir den Blick weiten müssen, bevor wir unsere Schlüsse ziehen. Wir alle werden im Leben stark von Studien beeinflusst, deren Ergebnisse meist nur in Kurzausführung in unserem E-Mail-Postfach landen. Gehören wir zu den Betroffenen, prägen sie uns mehr, als wir zu Beginn annehmen, und haben Auswirkungen auf die persönliche Sichtweise.

Studien zeigen zu häufig die Probleme und zu selten die Chancen

Selbstverständlich glaube ich die oben genannten Fakten und alle weiteren Aussagen der Studie, denn jede Universität hat die Möglichkeit und die Mittel, eine fundierte Analyse in Auftrag zu geben. Was mir dagegen fehlt, ist eine Auswertung, ein Bericht, der nicht nur Risiken und geringere Chancen aufzeigt, sondern einen ganzheitlichen Blick auf die Arbeitsmarksituation für Kandidat*Innen 50+ als Grundlage hat.

Alleine die Unterschiede aufgrund von Branchen, Positionen und Aufgaben haben Einfluss darauf, wie gross die Arbeitsmarktfähigkeit ist. Trotzdem wird allgemein vom schlechten Stellenmarkt 50+ gesprochen. Die grosse Herausforderung besteht heute darin, zu erkennen, inwieweit der bestehende Beruf die Grundlage für eine Neupositionierung bietet. Ansatzweise erwarte ich auch von einer Studie, dass mit den Ergebnissen die notwendigen Konsequenzen und auch Chancen aufgezeigt werden Ältere Kandidaten werden oft zu vorschnell aussortiert.

Nicht immer ist es im Sinne der Unternehmen, dass ältere Kandidaten aussortiert werden. Doch immer wieder erfahre ich von Entscheidungsträgern, die bewusst nach den abgewiesenen Bewerbungen fragen – und gerade bei Älteren fündig werden. Für mich ist eine der Erklärungen, warum Personen eine erste Vorsortierung übernehmen, dass sie vom Denken der Gesellschaft geprägt sind: „Ab 55/60 Jahren ist man alt!“.

Wenn dieser Gedanke im privaten Umfeld präsent ist, wird er mit ins berufliche Umfeld hineingetragen. Unternehmen, die bewusst erfahrene Mitarbeitende einstellen möchten, sollten daher kritisch die Vorsortierung der Bewerbungen hinterfragen.

Ein weiterer möglicher Grund für die geringen Chancen ist, dass sich Kandidaten auf die gleiche Position bewerben, die sie in den vergangenen Jahren ausführten. Sie analysieren dabei zu wenig, wie sich ihr Berufsbild in der Zwischenzeit verändert hat. Der eigene Lebenslauf passt oft nicht mehr zum neuen Stellenprofil. Die rasche Absage ist programmiert, als Grund wird jedoch automatisch das Alter angenommen.

Die Zukunft besteht nicht aus einer verlängerten Übergangsrente

Aus meiner Sicht ist ausserdem einer der absolut unterschätzten Gründe die fehlende Vernetzung und Präsenz der Bewerbenden. Oftmals sind die Kandidaten 50+ nicht dort sichtbar, wo heute Recruiter aktiv nach Mitarbeitenden suchen. Zu oft habe ich das erlebt, auch bei Personen, die Hunderte von schriftlichen Bewerbungen versendet hatten: Ihnen fehlte die Vernetzung in der Region und in der Branche.

Aktuell prägt – zumindest in der Schweiz – die Idee einer Übergangsrente bis zum Pensionsalter die öffentliche Diskussion. Dabei müssen wir aber doch auch die Frage klären, wie wir mit der Generation 65/70+ umgehen wollen, die arbeiten möchte. Denn die Zukunft besteht nicht aus einer verlängerten Übergangsrente, sondern aus einem Arbeitsmarkt, der ermöglicht, dass Wissen und Erfahrung individuell erhalten bleiben.

Im Moment hängt dies noch zu sehr von den einzelnen Kandidaten und einzelnen Unternehmen ab. Wir können aber die Lösung des Problems nicht Einzelnen überlassen. Wir müssen als Gesellschaft dafür sorgen, dass alte Denkmuster überwunden werden und bessere Rahmenbedingungen entstehen.

Ihre Petra Rohner